Verkehrssicherungspflicht
1. Allgemeine Grundsätze
Das
Bundeswaldgesetz und ihm folgend die Landesforstgesetze gestatten grundsätzlich
das Betreten eines Waldes auf eigene Gefahr. Die Verkehrssicherungspflicht
setzt nicht voraus, dass der Grundstückseigentümer einen Verkehr aus freien
Stücken eröffnet, sondern knüpft an die durch die tatsächliche Zulassung
geschaffene und von ihm beherrschbare Gefahrenlage an. Der Waldbesitzer hat
hierbei zwar keine besonderen Vorkehrungen gegen die ,,typischen“ Gefahren des
Waldes zu treffen, er muss die Besucher aufgrund seiner normalen
Verkehrssicherungspflicht jedoch soweit möglich vor „atypischen“ Gefahren
schützen.
2. Was sind Typische und Atypische
Gefahren im Wald
„Typische
Gefahren“ sind beispielsweise herabhängende Zweige, Wurzeln, Astausbruch,
Baumsturz etc., auch bei Sturm. „Atypisch“ sind alle nicht durch die Natur oder
die Art der Bewirtschaftung vorgegebenen Zustände, insbesondere die vom
Waldbesitzer selbst geschaffenen Gefahrenquellen, wie z. B. Wegsperrungen.
3. Wie lassen sich Art und Umfang der
Verkehrssicherungspflicht bestimmen
Die Art der
erforderlichen Baumkontrollen und Sicherungsmaßnahmen ist stets abhängig von:
Zustand
der Bäume (Baumart, Alter, Wüchsigkeit, Schäden...)
Standort
des Baumes (Wald, Straße, Parkplatz, Feld...)
Art
des Verkehrs (Verkehrswichtigkeit und -häufigkeit)
Verkehrserwartung
(mit welchen Gefahren muss man rechnen?)
Der Umfang der
Maßnahmen muss sich orientieren an:
Zumutbarkeit
der erforderlichen Maßnahmen,
Status
der Verkehrssicherungspflichtigen (Behörde? Privatmann?)
Dabei hat die
Verkehrserwartung, also die Sichtweise eines „objektiven dritten Betrachters“
eine besondere Bedeutung. Der Waldbenutzer hat mit den typischen Gefahren des
Waldes zu rechnen und sich deshalb entsprechend umsichtig zu verhalten und
erkennbare Gefahren zu meiden. Der Waldbesit-zer
hingegen hat die Gefahren zu beseitigen, mit denen der Waldbenutzer nicht
rechnen muss. (s. o.
4. Welche Besonderheiten ergeben sich im
Bestand des so genannten Erholungswaldes Waldflächen können durch die Landesforstgesetze speziell als
„Erholungswald“ ausgewiesen werden. Darüber hinaus gibt es auch den „faktischen
Erholungswald“, der zwar nicht offiziell als solcher ausgewiesen aber so
frequentiert wird. Gegenüber dem gewöhnlichen Waldbestand herrscht im
Erholungswald ein gesteigerter Besucherverkehr, der durch die Ausweisung zum
Erholungswald geradezu herbeigeführt wird. Dieses erhöhte Verkehrsaufkommen
zieht gewöhnlich auch gesteigerte Verkehrssicherungspflichten nach sich, jedoch
haftet der Waldbesitzer auch hier für Schäden außerhalb der Wege durch herab fallende Äste oder umstürzende Bäume nicht.
5. Besteht eine erhöhte Verkehrssicherungspflicht
entlang der Wege im Erholungswald?
Mit der
Zunahme des Verkehrs im Erholungswald entlang der Wege trifft den Waldbesitzer
eine erhöhte Verkehrssicherungspflicht in dem Maße, in dem die Wege für den
Besucherverkehr angelegt oder ausgebaut sind und entsprechend genutzt werden.
Es besteht dann die Pflicht zur Kontrolle der an den Wegrändern stehenden
Bäume. Ca. einmal im Jahr muss eine Sichtkontrolle nach dem Prinzip des Visual Tree Assessment (VTA) durchgeführt werden. Der
standardmäßige Einsatz von Spezialgeräten ist jedoch nicht notwendig. Ein
besonderes Augenmerk sollte gerichtet werden auf die Bäume, die sich in der
Nähe von Sitzbänken, Trimm- Dich- Geräten o. ä. befinden.
6. Bestehen unterschiedliche
Verkehrssicherungspflichten bei einem jungen oder alten Wald
Grundsätzlich
muss nicht zwischen einem jungen oder alten Wald unterschieden werden. Bei
einer Überalterung jedoch oder bei erkrankten Beständen sind besondere
Maßnahmen erforderlich. Dies gilt gleichwohl nicht bei Einzelfällen im
Waldesinneren. Im Zweifel muss der Geschädigte den Nachweis der
überdurchschnittlichen Gefährdung erbringen.
7. Besonderheiten bei Naturwaldparzellen
und Totholzinseln
Werden
sogenannte Naturwaldparzellen oder Altholz- und Totholzparzellen, die sich
selbst überlassen wurden, als „Brutbäume“ ausgewiesen, ändert sich nichts an
der Haftungssituation. Solche Abschnitte sollten aber an einer geeigneten
Fläche stehen. Wenn sie nahe an im Erholungswald gelegenen Wegen liegen, müssen
diese Abschnitte entsprechend gekennzeichnet und als ultima
ratio gefällt werden.
8. In welchem Maße hat der Waldbesitzer
eine Kontrolle durchzuführen
Die
Kontrollpflicht besteht nicht nur für die unmittelbar am Rand stehenden,
sondern auch für die hinteren Bäume, die eventuell auf den Weg stürzen könnten.
An Waldwegen im Erholungswald sollte mindestens einmal im Jahr eine
Baumkontrolle durchgeführt werden, bei vorgeschädigten Bäumen unter Umständen
auch zweimal im Jahr. Grundsätzlich ist hier eine Sichtkontrolle ausreichend.
Eingehende fachliche Untersuchungen unter Einsatz von speziellen
Untersuchungsgeräten können und müssen aus Zeit- und Kostengründen in der Regel
nicht durchgeführt werden. Der verkehrssicherungspflichtige Waldbesitzer muss
solche Gefahren beseitigen, die er als Fachmann akut erkennen kann, die einem
Laien, also dem gewöhnlichen Waldbesucher unbekannt sind, so dass dieser sich
auf die Gefahren nicht einstellen kann. Dabei hat der
Verkehrssicherungspflichtige in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise
Gefahren auszuräumen, die für den sorgfältigen Benutzer nicht oder nicht
rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht rechtzeitig einzustellen
vermag. Baumkontrollen- und Sicherungsmaßnahmen, wie sie im Stadt- und
Straßenbereich inzwischen Standards sind, können nicht in gleicher Weise vom
Waldbesitzer gefordert werden.
9. Welche Verkehrssicherungspflicht
besteht entlang öffentlicher Straßen
Der
Eigentümer des an einer öffentlichen Straße liegenden Waldgrundstücks ist mit
Rücksicht auf den Straßenverkehr verpflichtet, schädliche Einwirkungen auf die
Verkehrsteilnehmer durch umstürzende Bäume zu vermeiden, so
weit er die Gefahr nach Einsicht eines besonnenen und auf dem Gebiete
der Forstwirtschaft fachlich beratenen und gewissenhaften Menschen erkennen
konnte. Er ist daher verpflichtet, den Baumbestand so anzule-gen,
dass er im Rahmen des Möglichen gegen Windbruch und Windwurf
gesichert ist; er muss ihn auch in angemessenen Zeitabständen auf
Krankheitsbefall überwachen. Sollte der Baum jedoch der Straße „zuzuordnen“
sein, kann der Straßenverkehrssicherungspflichtige je nach Fallgestaltung
mithaften. Die Frage der „Zuordnung“ des Baumes zum Verantwortlichen ist
oftmals schwierig und nicht abschließend zu beantworten, insbesondere in den
Fällen, in denen der Wald älter ist als die Straße und diese erst im nachhinein durch den Wald angelegt wurde.
10. Welche Verkehrssicherungspflicht
besteht bei Parkplätzen im Wald
Wie
entlang einer öffentlichen Straße besteht auch bei Parkplätzen im Wald eine
erhöhte Verkehrssicherungspflicht. Der Parkplatzbesucher erwartet, dass
besondere Vorkehrungen zu seiner Sicherheit getroffen werden. Wer bei Sturm
seinen PKW auf einem Waldparkplatz abstellt, muss sich im Schadenfall eventuell
ein Mitverschulden anrechnen lassen. Anders ist die Rechtslage bei
verbotswidrigem Parken; dies geschieht grundsätzlich auf eigene Gefahr. Die
Kenntnis des Waldeigentümers von der missbräuchlichen Nutzung seines Waldes
begründet somit keine besondere Verkehrssicherungspflicht mit der Folge
gezielter Baumuntersuchungen auf Abbruch- und Umsturzgefahr in diesem
Waldbereich.
11. Besonderheiten bei Schulen und
Kindergären (v.a. Waldkindergärten
Für die
Sicherheit der Kinder ist in erster Linie der Veranstalter der
(Wald-)Kindergärten verantwortlich, und zwar in erhöhtem Maße. Bei Unfällen
wird in erster Linie die Verletzung der Aufsichtspflicht geprüft; den
Waldeigentümer trifft keine erhöhte Verkehrssicherungspflicht.
12. Haftet der private Baumeigentümer genau so wie der private oder öffentliche Waldbesitzer?
Während
sich der private Baumeigentümer notfalls auf mangelnde fachliche Kenntnis
berufen kann, stellt sich die Rechtslage für den privaten und öffentlichen
Waldbesitzer anders dar. Jeder Waldbesitzer, gleichgültig ob privat oder
öffentlich, ist durch Forstgesetze und spezielle forstliche Vorschriften
gebunden, unabhängig von der Größe des Waldes, der Anzahl der Bäume oder auch
davon, ob überhaupt Holz geerntet wird. Somit muss der private Waldbesitzer
Mindestkenntnis von der Beschaffenheit seines Waldes und den damit verbundenen
Pflichten haben.